Sud 59
59 | |
Biertyp | Lager |
Bierart | untergärig. Lagerbier |
Stammwürze°P | 13,0 |
Alkohol%Vol | 4,9% |
Brautag | 28.10.23 |
Anstich | |
Ursprung | Österreich (Bayern, England) |
Malze | Wiener |
Hopfen | Saazer |
Geschmack | malzbetont |
Trinktemp.°C | |
Was für ein Bier ist das?…
Im Jahre 1841 erfand Anton Dreher in Klein Schwechat nahe Wien das Lagerbier – welches umgehend als Kl. Schwechater Lagerbier
regionale und bald darauf als Wiener Lager
auch internationale Bekanntheit erlangte.
Was gern erzählt wird, aber sehr nach Legende klingt, hat anscheinend durchaus einen wahren Kern!
Obwohl es bzgl. des „Lagerbiers“ zwar eher so zu sein scheint, dass hier vornehmlich der Name „erfunden“ oder zumindest etabliert wurde, kann man die Bedeutung der Schwechater Brauerei für diesen Biertyp keineswegs zu gering einschätzen. Das Wiener
scheint in der Tat mindestens ähnlich berühmt und prägend gewesen zu sein, wie man es heute dem etwas jüngeren Bruder aus PilsenVielleicht liegt dies zum Teil aber auch einfach daran, dass wir diese Art von Bier heute eher ganz allg. mit dem Begriff Pilsner bzw. Pilsner Brauart in Verbindung bringen? International spricht man ja durchaus von Lager
– und auch im Böhmischen ist so ein Bier ein Ležák! Eher scheint es so, dass das anfangs malzige, rötlichere Lagerbier im Laufe der Zeit eben heller und heller wurde (was in gewisser Weise ja auch für das Pilsner selbst gilt und wohl neben dem Zeitgeist auch durch technische Möglichkeiten bestimmt wurde) – und nur in diesem Sinne der Spezifikation eines Wieners kaum noch entspricht… zuschreibt.
Lagerbier – die Bayrische Brauart
Lagerbier ansich gab es schon längst – nur nannte man das zuvor eher Bier nach bayr. Brauart: prägend waren die Dekoktion und vor allem die kalte, langsame Vergärung mit untergäriger Hefe. Diese hatte den Vorteil, länger haltbare Biere zu erzeugen – was wiederum pure Notwendigkeit war, seit 1553 in Bayern ein Sommerbrauverbot erlassen wurde. „Lager-BierZwar taucht auch der Name Lagerbier ab und auf, gebraucht wurde aber wohl meist der Begriff Sommerbier, welches im Gegensatz zum Winterbier etwas stärker eingebraut wurde und entsprechend mehr (und oft den besseren) Hopfen erhielt. Die Hopfenmenge wurde – angepasst an den angedachten Verbrauchszeitpunt – so justiert, dass das Bier einerseits vor Verderbnis geschützt wäre, andererseits dann aber trotzdem nicht „zu bitter“ ausfiel (also beachtet, dass sich Hopfenaroma und Bitterkeit mit der Zeit abbauen). Hinsichtlich der Stärke war gesetzl. vorgegeben, dass pro Scheffel Malz 7 Eimer Winter- aber nur 6 Eimer Sommerbier zu brauen wären…“ war somit schlicht erforderlich, wenn man in der warmen Jahreszeit welches anbieten wollte; rein qualitative Aspekte standen anfangs vermutlich erst einmal weniger im Vordergrund. Nichtsdestotrotz hatte bayr. Bier zu jener Zeit einen gewissen Ruf:
Hauptſächlich aber beruht die Erzeugung des in ſo vorzüglicher Beſchaffenheit und Güte ſich gleichbleibenden Lagerbieres in Baiern lediglich auf der durchweg guten, kräftigen und nach rationellen Grundſätzen in ihrer Vollkommenheit durchgeführten Untergährung, welche der baieriſche Brauer gleichſam ſtudirt, in allen ihren Einzelnheiten und Erſcheinungen erprobt hat und vor Allem auf das Beſte zu leiten verſteht.
(Wobei bei diesem Zitat von 1846 nicht völlig klar ist, ob nicht der Ruhm evtl. schon auf die im Folgenden geschilderten Entwicklung zurückgeht – denn wenn damals eine Brauindustrie wegen ihrer Vorzüglichkeit von sich Reden machte, dann war es vor allem die Englische!)
Vom Unterzeug
Untergärige Hefe hat den Ruf, besonders sauber vergorene Biere zu erzeugen, aber ob das tatsächlich an der Hefe selbst liegt, ist vermutlich gar nicht ganz klar zu entscheiden. Vorteilhaft ist, dass untergärige Hefe quasi bei Kühlschrank-Temperatur vergären kann; mithin bei Temperaturen, die anderen Mikroorganismen das Leben stark erschwert – reinEin wesentlicher Faktor ist, daß der Stoffwechsel temperaturbedingt eher gemächlich verläuft. Gärnebenprodukte erzeugt Hefe aber hauptsächlich dann, wenn es ihr „zu gut“ geht; und hier wiederum vor allem in der anfänglichen Vermehrungsphase – welche kalt dann aber ebenso gebremst verläuft.
(Gärnebenprodukte entstehen vor allem auch als Endprodukte bei den Ab-, Auf- und Umbauvorgängen, die die Hefe in ihrer Wachstums- oder Teilungsphase durchläuft. Da die unvergorenen Würze sehr, sehr viel Nahrung für unzählig viele Hefezellen darstellt, streben diese Anfangs vor allem eine schnelle Vermehrung an.)
Auch in dieser Hinsicht handelt es sich also um einen Nebeneffekt der Kälteverträglichkeit – und auch bei obergärigem Bier lässt sich der Gehalt an solchen Nebenprodukten durchaus durch die Wahl der Temp. steuern… ist die Gärung also vor allem auch, weil sie „ganz allein“ stattfindet.
Wann und warum untergärige Hefe entstand, ist nicht restlos geklärt. Es gilt aber als sicher, dass sie als Hybride aus normaler, obergäriger Bierhefe (Saccharomyces cerevisiae) und einem weiterenSolch Hybridisierungen sind bei einzelligem Leben nicht allzu ungewöhnlich (auch bei Bierhefe nicht! – bei norw. Kveik-Hefen führte sie zu deren Hitzetoleranz…).
Als wahrcheinlichster Partner gilt derzeit Saccharomyces eubayanus, eine kältetolerante Zucker-Hefe aus Patagonien, die nach genetischen Gesichtspunkten wohl als nahezu sicherer Elternteil gilt. Nicht geklärt ist, wie diese von dort (möglicherweise nämlich schon vor Columbus) den Weg in bayr. Gärbottiche fand – aber möglicherweise hat sie selbst ja auch einen anderen, möglicherweise tibetanischen Ursprung (der via. „Seidenstraße“ plausibler erschiene). Letztlich ist aber nicht einmal sicher ausgeschlossen, dass sie nicht auch in Europa vorkommt und bisher nur noch nicht entdeckt wurde (inzwischen wurde sie in irischen Bodenproben nachgewiesen).…, kältetoleranten Hefestamm entstand, der die Fähigkeit mitbrachte, auch bei niedriger Temperatur noch ausreichend zu stoffwechseln. Sommerbrauverbot und kalte, harte Winter sorgten dann für eine SelektionFrüher wurde Hefe nicht unter Reinzuchtbedingungen vermehrt, sondern das „Zeug“ einfach immer wieder verwendet. Es ist davon auszugehen, dass es aus etlichen Hefestämmen (und sicher auch weiterem einzelligen Leben) bestand, bei welchem sich ein relatives Gleichgewicht einpendelte – welches sich beim fortwährenden kalten Vergären dann hin zur untergärigen Hefe verschob.
(So ist für norwegische Kveik-Hefen bspw. sogar überliefert, dass man ab und an gezielt die Hefen verschiedener Brauer bzw. Höfe mischte, um sie „fit zu halten“.) dieser Hefeart.
Wie es scheint, war untergärige Hefe aber ein recht lokales Phänomen. Auch das „Wiener“ braute Dreher anfangs als Kaiserbier
noch obergärig; dieses war wohl recht passabel, aber zum Renner und bald auch Exportschlager wurde es erst als Lager
– mit Unterzeug direkt aus München.
Anton Dreher hatte während seiner Lehrzeit Bekanntschaft mit dem Münchner Brauersohn Gabriel SedlmayrSohn Gabriel Sedlmayrs des Älteren, der 1807 Münchens die Spaten-Brauerei erwarb und sie – ebenfalls angetrieben von Neugier, Forschergeist und technischem Interesse – in relativ kurzer Zeit zur drittgrößten Münchner Brauerei machte; er benutzte (und baute) sich Thermometer, 1808 eine „engl. Darre“ und nahm 1821 die erste Dampfmaschine in Münchens Brauereien in Betrieb. Der Forschungsgeist seines namensgleichen Sohnes erfuhr offenbar die nötige Unterstützung, so dass dieser sehr ausgiebigen Wanderfahrten durch die europ. Braulandschaft unternehmen konnte, die in der Reise nach England ihren krönenden Abschluß fand. geschlossen, dessen eigene Studienreisen diesen auch nach Wien geführt hatten. Gemeinsam gingen sie später auf Wanderschaft und standen sich lebenslang mit Rat und Tat (und Hefe!) zur Seite.
Dreher & Sedlmayr
Industrie-Spione in England
Wenn es also um moderne Brauwirtschaft – und um Qualität und vor allem Gleichmäßigkeit der Produkte – ging, hatte England die Nase ganz weit vorn. Zum einen war die Mälzungstechnik sehr weit fortgeschritten, zum anderen war die Brauweise schon recht weit industrialisiert und an wissenschaftl. Erkenntnissen ausgerichtet; die Brauereien waren teils riesige, mechanisierte Fabriken und die Spezialisierung der Arbeiter sehr ausgeprägt. Kaum ein Fachbuch aus diesem Jahrhundert kommt ohne ein entsprechendes Kapitel aus (und der Einfluss auf das kontinentale Brauwesen kann vermutlich kaum überschätzt werden). Und genau dort wollten Dreher und Sedlmayr ihre Ausbildung vollenden!
Leider erwies sich dies als gar nicht so einfach, da die englischen Brauer weitaus reservierter waren, als dies auf dem Kontinent üblich war – man ließ sich hier nur ungern allzu tief in den Kessel schauen. Überliefert ist, dass man Spazierstöcke modifizierte, mit denen in unbeobachteten Augenblicken Proben gezogen wurden um diese im Nachgang untersuchen zu können.
Neu und dabei äußerst dienlich war den Beiden vor allem die Verwendung des Aräometers, mit dem man den Extrakt- (bzw. „Zucker“-) Gehalt der Würze bestimmen und vor allem auch den Fortgang der Gärung analysieren konnte. Gerade um zu erforschen, was in anderen Brauereien anders (und ggf. besser) war, war der Einsatz von geeigneten Meßgeräten sehr hilfreich.
Die Senkwaage
Ein Aräometer, Hydrometer oder eben eine Senkwaage oder -Spindel ist im Prinzip ein einfaches Werkzeug, dass durch unterschiedlich tiefes Einsinken (aufgrund des unterschiedlichen Auftriebs) die Dichte einer Flüssigkeit anzeigt. Und da Bier-Würze im Wesentlichen aus im Brauwasser gelösten MalzzuckernIm gärenden (und natürlich im fertigen) Bier kommt noch Alkohol hinzu – der aber genau in dem Maß zunimmt, wie gleichzeitig der Zucker (aus dem er ja von den Hefen gebildet wird) abnimmt. Daher kann man an der Abnahme der Dichte den Ablauf der Gärung wunderbar beobachten und über den Restzucker- auch den Alkoholgehalt bestimmen.
Dass Alkohol eine andere Dichte als Wasser hat und das Meßergebnis prinzipbedingt unweigerlich verfälscht, ist dabei ohne Bedeutung: Da aus einer Einheit Zucker immer die gleiche Menge Alkohol (und CO2) gebildet wird, ist der Fehler streng proportional und für die Aussagekraft der Messung unerheblich. Gemessen wird der „scheinbare Extraktgehalt“, der aber problemlos und fehlerfrei umgerechnet werden kann – oder zumindest könnte: tatsächlich hat sich eingebürgert, mit den scheinbaren Werten zu hantieren!… besteht, kann dessen anteilige Menge auf diesem Weg gut erfaßt werden. (Insofern auf „Zucker“ hin optimierte MaßeinheitenTatsächlich ist die dargestellte/verwendete Skaleneinteilung nicht wesentlich. Im angelsächsischen wird eher ein Gewichtsverhältnis angegeben – nämlich wie viel schwerer die Würze im Verhältnis zur gleichen Menge Wasser ist. Bei uns wurden bevorzugt Skalen entwickelt, die angeben, wieviel Prozent Zucker die Würze enthält. Wichtig ist letztlich aber nur, dass man überhaupt Werte ermitteln und vergleichen kann. Dreher und Sedlmayr verwendeten das in England damals genutzte Long’sche Aräometer – und in der Münchner Spaten-Brauerei wurde bis 1870 daran festgehalten…
Das bei uns heute verwendete °Plato gibt an, wieviel Gewichts-Prozente oder eben kg Zucker in 100kg Würze gelöst sind (was aber in mancherlei Hinsicht auch nicht „ideal“ ist, da man beim Brauen die Würze ja nicht wiegt sondern normalerweise deren Volumen ermittelt – und 100l Würze eben nicht hundert, sondern je nach Konzentration einige Kilogramm mehr auf die Waage bringen…) verwendet werden, spricht man von Saccharimetern).
Aus dieſem ſpecifiſchen Unterſchiede der Körper geht nun von ſelbſt hervor, daß ein und derſelbe Körper in verſchiedene Flüſſigkeiten mehr oder weniger tief einſinken wird. In leichtere nämlich, die weniger tragen können, tiefer als in ſchwerere oder dichtere, die eine größere Tragkraft haben. Dieß hat zu einer bequemen Methode geführt, das ſpecifiſche Gewicht einer Flüſſigkeit durch das mehr oder minder tiefe Einſinfen eines darin ſchwimmenden Körpers zu ermitteln. Man gebraucht nämlich als ſchwimmende Körper Glasſpindeln von verſchiedener Form, die unter dem Namen Senkwage oder Aräometer bekannt ſind. Der mittlere Theil einer ſolchen Senkwage iſt hohl und aufgeblaſen, er macht daß die Wage ſchwimmt, der untere Theil iſt kegelförmig und mit Queckſilber oder Bleiſchrot gefüllt, wodurch der Schwerpunkt nach unten gezogen wird. Der obere Theil iſt dünn und röhrenförmig; er dient zum Meſſen der Tiefe, bis zu welcher das Inſtrument in die Flüſſigkeit einſinkt, weßhalb in dieſem ein zuſammengerollter Papierſtreifen mit aufgeſchriebener Skale enthalten iſt, von der man die Grade nur abzuleſen braucht.
Es ist kaum zu verstehen, warum man dieses ansich einfache Instrument nicht schon längst im Einsatz hatte – denn bekannt war das PrinzipAngewandt bei der Weinherstellung als Mostwaage wurde es lt. Wikipedia nämlich schon hundert Jahre zuvor (mit Skala versehen allerdings auch erst um 1820).
Auch beschreibt bereits S.F. Hermbstädt in »Chemische Grundsätze der Kunst Bier zu brauen…« das Hydrometer in aller Ausführlichkeit – und teilt mit: „Seit der ersten Ausgabe“ (1813!) „dieses Buches, wo ich die Anfertigung und den Gebrauch eines Saccharimeters beschrieb, habe ich mit Vergnügen gesehen, daß dieses Instrument in allen rationellen Bierbrauereien eingeführt ist und mit Nutzen gebraucht wird.“
Welche oder wie viele Brauereien dies waren, ist allerdings unbekannt – Dreher und Sedlmayr erfuhren hiervon wohl erst aus einem englischen Büchlein… ja durchaus schon länger! Andererseits war aber selbst das Thermometer damals noch nicht allzu lange in Gebrauch… Neben der Beobachtung und genaueren Analyse fremder Brauprozesse kann man über den Verlauf der Extraktabnahme in der Würze verfolgen, wie weit diese bereits vergoren ist und so der optimale AbfüllzeitpunktDieser wird so gewählt, dass aus dem zum Abfüllzeitpunkt noch vorhandene Zucker gerade noch soviel CO2 gebildet wird, wie nachher im fertigen Bier gelöst sein soll. Dies ist einigermaßen kritisch, da ein Zuviel in unausschenkbarem, furchtbar schäumendem Bier resultiert und sogar die Fässer bersten lassen kann, zu wenig Kohlensäure aber zu einem schalen Bier führt. Ein Vorzug der modernen Lagerbiere war aber offenbar auch deren wunderbare Rezenz!
Bis dahin hatte man, wie beim Kellerbier beschrieben, nach dem Fassen die Spundlöcher eher nicht allzu fest verschlossen um eventuellen Überdruck oder Schaum noch entweichen zu lassen… festlegt werden (was hinsichtlich gleichmäßiger Produkt-Qualität ebenfalls ein bedeutender Schritt nach vorne war).
„Wiener Malz“
Vorreiter war England auch in der Malzherstellung! Evtl. lag dies ursprünglich darin begründet, dass aufgrund Brennstoffknappheit der Energieeinsatz beim Brauen möglichst gering sein sollte – und man festgestellt hatte, dass durch etwas aufwendiger produzierte, moderne, homogene, gut vorgelöste Malze der Aufwand in der Brauerei entsprechend reduziert und dabei eine hohe Gleichmäßigkeit der Produkte erreicht werden konnte.
Die Standard-Malze waren recht hell und vor allem frei von Raucharomen – sie wurden nicht mehr über Feuer, sondern mit erwärmter Luft getrocknet und gedarrt. Eine solche „Englische DarreDass Sedlmayrs Darre eine „Englische“ war, wird gern in Anführungszeichen gesetzt – was ich übernommen habe, obwohl mir der tiefere Grund nicht ganz klar ist (das Prinzip scheint er jedenfalls übernommen zu haben; vielleicht soll es einfach darauf hinweisen, dass keine aus England importiert und aufgebaut wurde?…).
Jedenfalls wurde hier wie da durch die Feuerung nunmehr durchstreichende Luft erwärmt, welche ihrerseits dann am wohl „Sau“ genannten Oberteil austrat, dort je nach Bedarf mit Kaltluft gemischt werden konnte und dann durch die Trockenböden zum Abluftkamin zog. (Teils wurden dann im Kamin noch die Verbrennungsgase zugeführt, um den Sog weiter zu verstärken; ein Ventilator war nicht erforderlich – der Luftzug wird als so stark beschrieben, dass sehr dünn aufgeschichtetes Malz emporgewirbelt wurde!…) Mit Einzug der Dampfmachine wurde die Feuerung dann oft durch dampfgeheizte Wärmetauscher ersetzt.“ hatte Sedlmayrs Vater bereits in München im Einsatz (und man sagt, dessen „englisches Malz“ war das, was heute als Münchner Malz bekannt ist…)
Auch Dreher stellte in Schwechat auf Malze nach engl. Art um – und erhielt ein helles, eher brot- als röstaromatisches, noch sacht ins rötliche tendierendes Malz, welches heute als „Wiener“ zu den Standardmalzen gehört. Ob dieses damals tatsächlich heller als das Münchner war – oder ob letzteres vielleicht mit dem später aufkommenden Münchner Dunkel
noch nachdunkelte – ist unklar.
Dekoktion oder „Dickmaische-Brauerei“
Obwohl in Bayern damals keineswegs ausschließlich nur auf diese Weise gebraut wurde, scheint das mehrfache Kochen von TeilmaischenTatsächlich war ich recht erstaunt, dass in Literatur aus dieser Zeit an verschiedener Stelle erwähnt wurde, der Erfolg des modernen Münchner Verfahrens hätte „in jüngster Zeit“ viele bayr. Brauereien (oder Brauregionen) dazu veranlaßt, auf dieses umzustellen. Das Bild, bei der Dekoktion würde es sich um das typische bayr. (evtl. auch süddt./östr./böhm.) Verfahren gehandelt haben, ist also möglicherweise nicht ganz korrekt?! (So wechselten mit Dreher etliche Wiener Brauer auf die „bayr. Methode“ und auch in Pilsen wurde seinerzeit auf diese umgestellt, was – sofern es nicht nur auf die Hefe abzielt – bedeuten würde, dass auch hier die Dekoktion zuvor zumindest nicht in „Reinform“ zur Anwendung kam.)
Es gab regional durchaus weitere Verfahren (wie das Brauen auf Satz beim Nürnberger Rotbier), denen aber anscheinend das mehr oder weniger häufige Kochen von dicken oder dünnen Maischeanteilen irgendwie zu eigen war. Vielleicht ist die Dreifach-Dekoktion auch nur zufällig jenes Verfahren, welches sich (mit dem Erfolg der so gebrauten Biere) durchsetzte; evtl. ließ es sich besonders gut an eine zunehmend industrielle Brauweise anpassen – oder aber, was ebenfalls nicht ausgeschlossen werden kann: die Behauptungen treffen zu und es war tatsächlich das Beste!… trotzdem als typisches Verfahren gegolten zu haben. Auch Dreher hatte sich frühzeitig damit beschäftigt und verbrachte nach der Englandreise viel Zeit bei seinem Freund Sedlmayr in München, wo zusammen vergleichende Versuche mit der bayrischenBei der Dekoktion wird das Erreichen der jeweils nächsthöheren Temperaturstufen im Maischbottich dadurch erreicht, dass man einen Teil der Maische in einen beheizbaren Kessel überführt (früher umschöpfte), diese dort gemächlich bis zum Kochen erhitzt und nach geraumer Zeit zur Restmaische zurückmischt. Neben der Bildung zusätzlicher Geschmackskomponenten (etwa Karamell- und Röstprodukten) hatte dies den Vorteil, dass durch das Kochen evtl. noch nicht gelöste Stärke im Malzkorn aufgeschlossen wird, was die Ausbeute – gerade bei den früher wohl eher schlechter gelösten Malzen – erhöhen konnte, weswegen man normalerweise auch bevorzugt „Dickes“ kochte; was dann auch den Namen Dickmaische-Brauerei erklärt. und englischen Brauweise sowie der englischen Mälzmethode durchgeführt wurden. Anscheinend stellte er zeitnah mit Übernahme der Schwechater Brauerei 1836 auf Dickmaische-Brauerei & Engl. Malz um.
(Auf die Untergärung erst einige Jahre später; was vermutlich auch darin begründet liegt, dass für die notwendige Gär- und Lagertemperatur zuvor entsprechender AufwandDer bei Dreher wohl erstmal im Bau eines ausreichend großen Kellers bestand…
In den Anfangsjahren der Lagerbierherstellung wurde mit Natur-Eis gekühlt, welches winters gewonnen und eingelagert wurde. Bis zur Entwicklung der ersten praxistauglichen Kältemachinen (nach 1872) entwickelte sich aufgrund der immensen benötigten Mengen bald sogar ein weitreichender Natureis-Handel (der sich vor allem aus Norwegen speiste! – welches sich aufgrund einerseits sicherer Winterkälte aber dank Golfstrom trotzdem eisfreier Häfen auszeichnete). betrieben werden mußte – vor allem, wenn man ganzjährig produzieren wollte.)
Natürlich hat die Art des Maische-Verfahrens letztlich auch Einfluss auf das Ergebnis, also die Eigenschaften, die Qualität und den Geschmack des Bieres. Diese waren so essentiell – oder wurden zumindest als so wesentlich erachtet – dass sich mit dem Erfolg der modernen Lagerbiere auch die Dekoktion als deren typisches Herstellungsverfahren etablierte. Da es aber den Umfang des Textes sprengen würde – und da zu gegebener Zeit mit weiteren Bieren näher auf die hier geschilderte Entwicklung zurückgekommen werden kann und soll – wird auf eine genauere Darstellung der Dekoktion und deren Einfluss auf das fertige Bier vorerst verzichtet.
Industrialisierung der Braulandschaft
Dreher und Sedlmayr sind prominente, frühe Beispiele, aber die Industrialisierung der Bierherstellung hängt nicht am Wiener Lager
(oder irgend einem anderen Bier) – die ZeitSo wird das Pilsner Urquell
1842 kaum als Reaktion auf das Wiener Lager
entstanden sein – denn dafür wäre die Zeit wohl nicht ausreichend. Der weltweit gute Ruf des Münchner Biers ist nahezu zeitgleich entstanden (und gab ja der Brauweise anfangs sogar den Namen). Es ist offensichtlich, dass diese Entwicklungen hier teilweise parallel verliefen…
Auch in Wien war Dreher kein einsamer „Pionier“, der ganz allein die Braulandschaft umkrempelte: Gestoßen bin ich noch auf Adolf Ignaz Mautner, der 1840 ebenfalls eine Brauerei in Wien übernahm und wohl in recht engem Austausch mit Dreher ein erfolgreiches, untergäriges, leichtes Abzugbier
herstellte und sich seinerseits sehr um Probleme der Kühlung verdient machte. Obwohl dessen Brauerei nicht ganz so groß und erfolgreich wie Drehers war, ist der Grund, dass er als Brauer weniger in Erinnerung blieb, vermutlich der, dass er als Erfinder der Presshefe zu Ruhm kam (die wiederum deswegen reißenden Absatz fand, da die traditionell von den Brauern an die Bäcker gelieferte Hefe in ihrer nun untergärigen Version zum Backen nicht mehr zu gebrauchen war…). war wohl einfach reif!
Die wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften machten es einerseits „möglich“, im großen Maßstab zu brauen, erforderten aber auch gewaltige Investitionen. Diese wiederum waren wahrscheinlich nur tragbar, weil das enorme BevölkerungswachstumSo lebten in München als Sedlmayrs Vater 1807 die Spatenbrauerei übernahm ca. 40.000 Menchen, in den gut 30 Jahren bis er sie erbte und Drehers Lager erschien, hatte sich die Einwohnerzahl bereits verdoppelt – das damals weitaus größere Wien war nach weiteren 35 Jahren schon Millionenstadt (und in München lebten zu diesem Zeitpunkt dann bereits fast 200.000 Einwohner!). Wien war (und ist) eigentlich eher eine Wein-Stadt – aber der Durst des Proletariats ließ sich wohl leichter mit Bier löschen…
(und der Zuzug in die Städte) es überhaupt ermöglichte, dass der Ausstoß solch riesiger Bier-Fabriken überhaupt einen Markt fand. Wenn man den Geschichten Glauben schenkt, gab es zwischen den Brauereien damals wohl eher wenig Konkurrenz (im Gegenteil war man darauf bedacht, die Mitbewerber gerade nicht zu übertrumpfen, sondern allen Brauern ihr Auskommen zu sichern – was vielleicht auch ein wenig die Innovation bremste). Gerade deswegen war es wohl Sedlmayr (im Gegensatz zu England) noch einfach möglich, in den verschiedensten Brauereien zu hospitieren, deswegen war Dreher in Wien kein Einzelkämpfer und vermutlich auch deshalb konnte sich die Methode der Lagerbierherstellung so schnell (und unverändert) verbreiten.
Ein langer, anstrengender aber erfolgreicher Brautag!
Wenn wir uns auch vom „Rezept“ bzw. vom Verfahren her möglichst genau an zeitgenössische Quellen gehalten haben, ist unsere Brauanlage doch eher „vor-industriell“ – so dass unser Vorgehen letztlich mehr noch dem ohnehin zugrunde liegenden »altbayrischen Verfahren« geähnelt haben dürfte. Entscheidend ist, dass wir erfolgreich ausprobiert haben, ob ein historisches Dekoktionsverfahren auf unsere Anlage adaptiert werden kann – was überraschend gut funktioniert hat!!!
Schöpfen der Dickmaische:
Das Schöpfen geht mit dem passenden Werkzeug bei unseren Mengen ratzfatz!…
Die einzige Einschränkung ist, dass die Proportionen von Maischbottich und des Kessels als „Sudpfanne“ in dieser Konfiguration nicht ganz harmonieren: Da unser Kessel eine gewisse Mindestfüllmenge benötigt (diese aber ca. 1/3 der Gesamtmaische ausmachen soll), führt dies dazu, dass die Gesamtmengen – mithin die gesamten 3/3 – letztlich so viel Maische ergeben, dass dies in einer unhandlichen Würzemenge resultiert. Dass Maisch- und Läuterbottich das selbe Gefäß sind, war in kleineren Brauereien früher durchaus üblich – und ist zum Ziehen der dritten, der Läuter-Maische, auch ungemein praktisch.
Das Dickmaische-Kochen ansich unterscheidet sich eigentlich nicht allzu sehr von unserem üblichen Verfahren!
(nur, dass man es eben öfter macht – und es insgesamt länger dauert…)
Weiterführende Links:
- mehr zur Reise von Sedlmayr und Dreher ist in einer dreiteiligen Story beim Braumagazin zu erfahren: Teil I, II, III
- den Anstoß, mich überhaupt eingehender mit dem Wiener Lager zu beschäftigen, gaben nicht zuletzt die entspr. Blogbeiträge Andreas Krennmairs (der etliche interessante Quellen verlinkt)
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- ist stammt das Bild des Hydrometers (AM 1962.54-8) vom Auckland Museum und wurde unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung 4.0 international“ veröffentlicht
- wurde die Werbung für Schwechater Bier - Karl Alexander Wilke - veröffentlicht in "Österreichs Illustrierter Zeitung" vom 11.12.1910 von Wolfgang Sauber reproduziert und ist lizenziert unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international“
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