Sud 60

 Anzeige Steirischer Hopfen   ganzeSeite ANNO

Überschrift Styrian Golding Lager - Old Standard - Alexey Kryukov

Postcard of Polzela 1904

60 Etikett No60
Biertyp „intern. Lager“
Bierart untergärig, hell
Stammwürze°P  11,7°
Alkohol%Vol  4,7%
Brautag  13.1.24
Anstich  
Ursprung  
Malze  Pilsner, 20% Weizenmalz
Hopfen  Savinjski Golding
Geschmack  
Trinktemp.°C  
   Stempel Unterteil gedreht

 

344px-State coats of arms of StyriaWas für ein Bier ist das?…

Thematisch könnte man dieses Bier als „Lager mit steirischem Hopfen“ mehr oder weniger nahtlos an den vorherigen Sud anschließen lassen. Sogar beim Wiener Lager ist nicht abschließend geklärt, welcher Hopfen seinerzeit verwendet wurde; ab und an liest man nämlich, dass es steirischer war – was insgesamt allerdings eher unwahrscheinlich ist…

Zwar wird auch im österreichischen Bundesland Steiermark noch etwas Hopfen angebaut, was man heute unter »Steirischem Hopfen« versteht, kommt aber seit ca. einhundert Jahren ausschließlich aus der Untersteiermark im heutigen Slowenien – welche damals zwar ebenso zur Monarchie gehörte wie Böhmen, logistisch betrachtet allerdings „auf der falschen Alpenseite“ lag. Und da auch der »Styrian Golding« (der wohl ohnehin ein engl. Fuggle ist) noch gar nicht existierte, nahm man vermutlich doch eher Saazer…

Die Zusammenhänge sind etwas verworren und werden auch nicht völlig klar, wenn man genauer hinschaut. Grundlegend gab es wohl eigentlich zwei verschiedene, eher unabhängige steirische Hopfenbaugebiete: in der Untersteiermark (im Sanntal, heute Slowenien) und in der Oststeiermark – welche nur mit einigem Abstand betrachtet miteinander „verschmelzen“.

Steiermark Perthes 1855Die Steiermark an sich ist eine historische Region in den Alpen, die nicht deckungsgleich mit dem heutigen Bundesland ist! Auch die Zuordnung ist etwas kompliziert: in unserem Kontext reicht es aus, wenn wir als Oststeiermark den mittleren roten, als Untersteiermark den unten liegenden purpurnen Teil betrachten (welcher heute zu Slowenien gehört) – beim dazwischenliegenden gelben (in dem auch eine Grenze eingezeichnet ist) bin ich mir nicht so ganz sicher…

Karte Hopfenbau OststeiermarkDie Oststeiermark

In der Oststeiermark gab es einen historisch gewachsenen Hopfenbau, der zur Mitte des 19. Jh.’s eine beachtliche Größe erreichte – und auf den sich die zeitgenössischen Erwähnungen hauptsächlich zu beziehen scheinen. Dieser ging zum Ende des Jahrhunderts dann aber vollständig ein (und ist nicht mit dem heutigen Anbau identisch, welcher sich weiter südlich befindet; auf nebenstehender Karte der Fleck um Leutschach, mi.u.).

Vom dort angebauten Hopfen ist bekannt, dass er mindestens ab den 1860er Jahren eine gewisse Bedeutung im Hopfenhandel erlangte – was vermutlich auch mit dem stark gestiegenen Bedarf im Zuge der modernen Bierherstellung bzw. der Geschichte des Lagerbiers zusammenhängt. Man liest, dass er qualitativ dem hochgeschätzten Saazer recht nah stand (und anfänglich offenbar sogar als solcher „etikettiert“ wurde, da er sonst nur zögerlich Abnehmer fand; als eigene Herkunft wurde er dann ab 1875 erfolgreich vermarktet).

 Unter den hopfenbauenden Thälern Steiermarks ſtehen wohl das Feiſtritzer-, Ritſcheiner-, Ilzer-, Raab-, Safen- und Lafnitz-Thal in erſter Reihe, nicht nur, weil hier zwei Drittel der ganzen Hopfenernte Steiermarks geerntet wird, ſondern auch deßhalb, weil der hieſige Boden dem Saazer am nächſten kommt, und unſere Hopfenballen – in Folge der Qualität der Waare, die von allen bisher hopfenbauenden Gegenden dem Saazer Hopfen am meiſten gleicht – als Saazer Hopfen in die Welt verſchickt werden.
      —
 Bereits ſind Agenten von Nürnberger und Bamberger Handlungshäuſern hier eingetroffen, auch Wiener Häuſer machen ſchon directe Einkäufe, während in früheren Jahren unſer ſteiriſcher Hopfen kaum dem Namen nach bekannt war.

Savinjska dolina pozimi 1960Die Untersteiermark

Der untere, südliche, purpurfarbene Zipfel, die „Spodnja Štajerska“ (dt. Untersteiermark) gehört heute als (slovenska) Štajerska größtenteils zu Slowenien und scheint offenbar ebenfalls sehr für den Hopfenanbau geeignet zu sein: hinsichtlich der Anbaufläche steht es derzeit weltweit immerhin an fünfter Stelle!

Wann genau der Hopfenanbau im Savinja- oder Sanntal begonnen hat, lässt sich vermutlich nicht mehr klären. Aufgrund der günstigen Bedingungen und der Bedeutung, die er zum Ende des 19. Jh.’s dann offenbar ebenfalls erreichte, ist anzunehmen, dass er auch hier auf eine gewisse Tradition zurückschaut – vermutlich war er aber nicht allzu umfangreichPostcard of Polzela 1918Um 1883 erreichte der Anbau der Oststeiermark mit 1.090ha seine größte Ausdehnung und Bedeutung. Für die Untersteiermark sind für 1850 nur ca. 350ha angegeben – was aufgrund der zeitl. Differenz einen direkten Vergleich zwar erschwert, andererseits jedoch auch keine Größenordnungen auseinander liegt! Heute sind es in Slowenien insgesamt etwa 1.500ha – womit der Hopfenanbau im Sanntal offenbar auch schon zu diesem frühen Zeitpunkt nicht völlig „unbedeutend“ war
(Der aktuelle Anbau von Hopfen im Budesland Steiermark kam – jedenfalls bis 1990 – nie über 100ha hinaus.)
; einige Quellen sagen, irgendwie „intensiv“ wurde er erst ab ca. 1870. 800px-Vischer - Topographia Ducatus Stiria - 035 Cilli - CeljeOb einst eine eigene Landsorte existierte, oder – wie zumindest für die Oststeiermark wohl wesentlich wahrscheinlicher! – Abkömmlinge aus dem Saazer FormenkreisKarte-Saazer-Kreis-1838Das, was wir heute als Sorte »Saazer« kennen, ist letztlich ja auch eine Selektion aus alten Landsorten. Einige andere alte, bedeutende Landsorten (etwa Spalter und Tettnanger) sind genetisch eng mit ihm verwandt – und da böhmischer Hopfen schon immer sehr gerühmt wurde, wäre plausibel, dass diese Verwandtschaft einst bewusst herbeigeführt wurde; wobei für derartige Experimente (z.B. für Preußen) ja durchaus Belege existieren. Genauso gut könnten natürlich all diese Landsorten auf eine (verbreitete) Ur-Sorte zurückgehen. Fakt ist, dass dieser Rothopfen gewisse Ansprüche an Klima (und wohl auch Boden) stellt, und daher auch andere Sorten ihre Chance hatten…
Dafür, dass in der Steiermark einst ein „Saazer“ wuchs, ist mir mindestens eine Quellen bekannt (wobei man weder abschätzen kann, wie verlässlich diese ist, noch, welche der Regionen gemeint ist) – insgesamt findet steirischer Hopfen in älterer Literatur überhaupt nicht allzu viel Erwähnung…
angebaut wurden, ist unklar.

Da man gewisse Parallelen erwarten kann, ist zu vermuten, dass mit einer Ausweitung des Anbaus (wie beispielhaft im Artikel zum Altmarkhopfen beschrieben) irgendwann auch vermehrt Probleme mit Krankheiten und Schädlingen auftraten, die dann zwangen, auf eine andere, neuere Hopfensorte auszuweichen – oder eben, wie in der Oststeiermark, zum NiedergangEs heißt: „Aufgrund der Überalterung und dadurch bedingter Erschöpfung der Hopfenanlagen, der Auswahl ungeeigneter Standorte bei der Ausbreitung des Hopfenanbaus, die einen Qualitätsverlust zur Folge hatte, und durch starken Preisverfall aufgrund geänderter Marktlage setzte schon gegen Ende des vorigen Jahrhunderts der Rückgang ein. Zu Beginn unseres Jahrhunderts setzte sich diese ungünstige Entwicklung fort, sodaß bis zum Jahre 1939 im oststeirischen Anbaugebiet schließlich auch noch die letzten Hopfenkulturen gerodet wurden.“
P. Eder - DER HOPFENBAU IN DER STEIERMARK, gekürzt)
des Anbaus führten.

Die zum Anbau gelangenden Sorten unterscheidet man 1. nach ihrem Ursprungsgebiet, 2. nach ihrer Reifezeit, 3. nach der Farbe der Reben (rot oder grün). Stark verbreitet sind:
a) Saazer (ein Rothopfen), welcher mit seinem feinen, milden Aroma, seiner mittelgroßen breit-elliptischen verhältnismäßig weit gegliederten Zapfenform mit zu den besten Sorten zählt. Er ist ein Frühhopfen. Aus dem Saazer haben sich Schwetzinger, Tettnanger, welcher sowohl als Früh- wie als Späthopfen gebaut wird, Neutomischler, Auschaer Rothopfen, Steirischer usw. entwickelt, welche die hochwertigen Eigenschaften der Mutterpflanzen auf ihre neuen Anbaugebietete mit übernommen haben;

g) Goldings, die vorherrschende Sorte in England, ein kleinzapfiger Hopfen mit süßlichem, an Quitten erinnerndem Aroma. Den Goldings zuzurechnen sind auch Fuggles und Bramlings;

Der englische Golding

Der Golding ist eigentlich eine alte, englische Land- oder Nobelsorte – bzw. ging er als Selektion direkt aus einer solchen hervor. Anders als beim Saazer Rothopfen handelt es sich hier um einen „weißen Hopfen396px-365 Humulus lupulusWie schon an verschiedener Stelle erwähnt, gab es damals in dem Sinn keine Hopfen-Sorten, sondern eher eine Einteilung nach seinen (optischen und phänologischen) Eigenschaften – hier vor allem der Farbe der Ranken sowie Blühzeitpunkt und Erntereife. Dieses Schema scheint auch in England gegolten zu haben, wo die „Whitebines“ eben die mit den weißen Ranken waren…
Weißgrüner Hopfen fiel auf durch seine „weißen und großen zwei Zoll lange Zapfen“ und galt als geeigneter für das norddt. oder engl. Klima!
“.

Den engliſchen Hopfen unterſcheidet man in vier Sorten:
1) …
2) in langen weißen Hopfen, the long white Hop oder the white bind. Dieſer trägt auch reichlich und iſt hellgrün, daher ihn die Käufer am meiſten ſchätzen. Er wird etwas früher reif, als der vorige;

Der Verfaſſer der Synopsis of Husbandry unterſcheidet den Hopfen aus Flandern, Canterbury, aus Goldings, aus Farnham etc.

Harry Sutton Palmer - Hopfendarre bei Farnham 1906Auch diese „white bind’s“ scheinen einen gewissen Formenkreis zu bilden und waren mindestens seit dem 18. Jh. aufgrund des Aromas geschätzt und machte die Gegend um Farnham zu einem Zentrum des Hopfenanbaus. Es heißt, der Golding wäre als SämlingAlbum de la flora médico-farmacéutica é industrial indígena y exótica Pl. 59 8157648947Lt. engl. Wikipedia wird die Gruppe der Whitebines erstmals in den 1750er Jahren als Farnham Whitebine erwähnt, aus der die Canterbury Whitebine hervorging, aus der wiederum von einem Mr. Golding in den 1790er Jahren der Golding selektiert wurde. Er wird dort als ertragsschwach, anfällig für Echten Mehltau, Falschen Mehltau und Verticillium-Welke beschrieben – was aber vermutlich eine „moderne Einschätzung“ ist, da er ja seinerzeit wohl offenbar eher ein Erfolgsmodell war!…
(Andernorts liest man, Whitebines hätten bereits im 17. Jh. existiert und den Anbau 200 Jahre dominiert.)
oder Zucht daraus hervorgegangen und hätte die Stammsorte dann irgendwann vollständig verdrängt. (Inzwischen wurde diese aber wohl wiederbelebt!)

Der »Steirische Golding«

Die Legende sagt nun, mit eben diesem Golding wollte man auch im Savinja-Tal den Anbau modernisieren. Eine Verwechslung führte allerdings dazu, dass stattdessen Fuggle geliefert wurde und man daher den Hopfen unter falschem Namen anbaute. Aber auch hier ist die Geschichte komplizierter:

First-ad-for-Fuggles-hops-for-sale-1871Der Fuggle entstand seinerseits wohl wiederum als (Zufalls-) SämlingAnnie L. Pressland Anemone border and cottage J Salmon postcardEr erschien in einem Blumengarten der Familie Stace nachdem Frau Stace dort die Krümel aus ihrem Hopfenpflückerkorb entsorgt hatte. Die Setzlinge wurden dann von ihrem Neffen Richard Fuggle der Öffentlichkeit vorgestellt…
Auch genetische Untersuchung haben inzwischen bestätigt, dass es sich um einen direkten Nachkommen in erster oder zweiter Generation eines Goldings handeln muss. (Ebenfalls bestätigt wurde, dass es sich bei Fuggle und Savinjski Golding um die gleiche Pflanze handelt!)
des Goldings irgendwann in den 1860er Jahren und wurde ab 1871 aktiv vermarktet. Da rundherum Golding wuchs und er augenscheinlich von diesem abstammen musste (und zudem schon eine Anzahl von Golding-Varianten existierte), wurde er konsequenterweise von bzw. nach seinem Entdecker  »Fuggle’s Golding« benannt. Als positive Eigenschaft galt damals, dass es eine recht frühe Sorte war und er bereits zwei Wochen vor dem Golding geerntet werden konnte.

Razglednica Žalca 1916 5 HopfenlagerhausVermutlich war dies am Rande der Alpen durchaus von Vorteil und obige Anzeige verrät außerdem, der Fuggle wäre im Vergleich „viel widerstandsfähiger und weniger anfällig für Krautfäule“. Und so wurde eben jener Fuggle’s Golding 1886Anzeige - Steirischer Hopfen   ANNOAndere Quellen datieren die Einführung auf die 1930er Jahre – da wiederum war er aber wohl schon als »Styrian Golding« etabliertes Exportgut. Für die Version von 1886 spricht außerdem, dass hier der Name des Importeurs Janez Hausenbichler überliefert ist und sich dieses Datum recht schlüssig in die Abläufe einfügt…
Wie man der Anzeige von 1892 entnehmen kann, wurden zu diesem Zeitpunkt wohl noch verschiedene Sorten angebaut (was bedeuten könnte, dass die Umstellung noch nicht abgeschlossen war).
von einem lokalen Unternehmer im Savinja-Tal eingeführt und offensichtlich erfolgreich etabliert. Dabei wurde aus Fuggle’s- dann eben ein Savinjski-Golding, was angesichts des vorherigen Benennungsschemas eigentlich nicht wie ein Fehler klingt (sowieso kam »Fuggle« als alleinstehender Name erst deutlich später auf…).
International wurde dieser Hopfen dann ab den späten 1930er Jahren als »Styrian-Golding800px-Obiranje hmelja v Savinjski dolini 1961 5Es heißt, im Englischen ließe sich Savinjski nicht gut aussprechen, außerdem sei die Steiermark als Name griffiger und bekannter…
Als der Savinjski später durch neuere Züchtungen ersetzt wurde, behielt man diesen „Markennamen“ bei – und der Name »Savinjski Golding« wird heute wieder für die ursprüngliche Pflanze (also den Fuggle) verwendet.
Die Herkunftsbezeichnung als Steirischer Hopfen wurde inzwischen Slowenien zuerkannt. Der Wikipedia-Artikel der diesen in Österreich verortet, ist etwas irreführend: dieser wurde an heutiger Stelle überhaupt erst ab 1924 versucht und versorgt wohl hauptsächlich eine lokale Brauerei. Mit dem „Steirischen Hopfenbau“ hängt er eigentlich nur dem Namen nach zusammen…
« vermarktet und war bis 1964 die einzige Sorte Sloweniens.

Anton Drehers HopfenHopfenkeller Kl. Schwechat

Es existieren zwar zeitgenössische, recht detaillierte Beschreibungen des Wiener Brauverfahrens, aber offenbar keine Unterlagen oder gar „Rezepte“, die die Zutaten zu Drehers Zeiten spezifizieren würden. Man weiß zwar in etwa, welche Mengen Hopfen dem Wiener Lager oder Abzugsbier zugegeben wurden – hinsichtlich Herkunft oder gar „Sorte“ kann man nur spekulieren. Hopfen war damals eben einfach „Hopfen“ – man unterschied eher die Herkunft; von einem brauchte man mehr, von gutem weniger:

 Der Hopfen aus dem Ilzthale kann ſich ſogar dem Saazer Hopfen an die Seite ſtellen, nur mit dem Unterſchiede, daß vom Saazer Hopfen zu 40 Eimer nur 5 Pfund, vom Ilzer dagegen 7 Pfund genommen werden müſſen.
 Die Kennzeichen eines friſchen guten Hopfens ſind: a. die Hopfenzapfen ſind klein und ganz; b. die Deckblätter weißlich, grün und gelblich; c. auf den mit der Lupe zu betrachtenden untern Theilen der Deckblätter und der Feuchtknoten muß das Hopfenmehl dicht aufgeſtreut ſein; die Körner müſſen d. voll, ſehr gewölbt, faſt küglicht und ihre Farbe citrongelb, auch e. der Geruch an den Hopfenzapfen muß hervorſtechend und eigenthümlich ſein.

 Er sah sich nach neuen Objecten zur Ausbeutung seiner nie ruhenden Schöpfungsgabe um, und schien ihm die Herrschaft Michelob bei Saaz in Böhmen hiefür einen geeigneten Wirkungskreis zu bieten; nicht nur das Wachsthum des ausgezeichnetsten Hopfens in dieser Gegend, dessen Anlagen als werthvolles Material für die Biererzeugung Dreher natürlicherweise bestens cultivirte und erweiterte, bewog ihn dazu, sich im Jahre 1859 in den Besitz dieser Herrschaft zu setzen, sondern auch die zu dieser Zeit in Böhmen sich geltend machende Umschwungsperiode von Ober- zu Untergährung.

Gerühmt wurde einst böhmischer Hopfen und speziell solcher aus der Gegend um Saaz und alles deutet darauf hin, dass Dreher ein gewisses Faible für diesen Hopfen hatte – nicht zuletzt weil er 1859 in Michelob bei Saaz (Měcholupy u Žatce) Land kaufte, um Hopfen anzubauenMecholupy znakWohl auch, um von den Preisschwankungen am Hopfenmarkt weitgehend unabhängig zu sein… Zwar betrieb er dort dann auch eine Brauerei, aber wenn es nicht speziell um Saazer Hopfen gegangen wäre, hätte man vermutlich auch ein logistisch günstigeres Anbaugebiet finden können…
Vermutlich fiel seine Wahl anfänglich einfach auf renomierte, leicht erhältliche Ware?! Zwar hatte etwa auch bayr. Hopfen einen guten Ruf (und wäre wegen seiner Verbindung zu Sedlmayr in München und der Transportmöglichkeit via Donau ebenfalls nachvollziehbar) – nur war jener ja „ausländisch“, was vermutlich gewisse Nachteile mit sich gebracht hätte (etwa Bürokratie und Zölle?)...
. Wirkliche Beweise existieren allerdings erst für die Zeit nach 1870.
Dessen ungeachtet liest man aber immer wieder, dass gerade steirischer Hopfen und speziell der Savinjski von Anton Dreher geliebt und beim Wiener Lager verwendet wurde…

Saaz oder Sachsenfeld?Transport hmelja v Žalcu 1960 3 Ausschnitt

Dass mitunter steirischer Hopfen als »Saazer« deklariert wurde, klang schon an. Zusätzlich ähnelt nun auch noch der tschechische Name für Saaz Žatec sehr dem slowenischen von Sachsenfeld in der Steiermark (Žalec) – einem der bedeutenden Anbauorte im Sanntal. Transport hmelja v Žalcu 1960 3Zwar ist nicht sehr wahrscheinlich, dass die Namen in der jeweiligen Landessprache im Kaiserreich eine herausgehobene Rolle spielten – aber denkbar wäre dennoch, dass hier später anhand eines Fotos oder irgendeiner Aufzeichnung ein Beleg „gefunden“ wurde, der eigentlich auf einer Verwechslung der beiden Ortsnamen beruht?!…

Fakt ist, Savinjski- bzw. Styrian-Golding kann Dreher keinesfalls gekannt haben – denn er starb bereits 1863. Und logischerweise kann auch die immer wieder zu lesende Angabe, der »Savinjski« wäre Anfang des 19. Jh.’s im Sanntal eingeführt wurden, nicht stimmen, da dieser (bzw. der Fuggle) ja erst 70 Jahre später entstand – vorstellbar wäre, dass jemand „neunzenhundert“ mit „neunzehntes Jahrhundert“ verwechselt und somit die Einführung des Hopfens um satte einhundert Jahre vorverlegt hat.
Razglednica Žalca 1916 5 AnsichtDenkbar wäre allerdings auch, dass man tatsächlich schon Anfang des 19. Jh.’s Probleme mit dem Anbau der lokalen Sorten bekam und deswegen auf eine andere Sorte wechseln musste. Dies würde besser zu den bekannten Jahreszahlen passen (denn weder 1886 noch die späten 1930er Jahre liegen nahe an einer Jahrhundertwende) und zudem eine MöglichkeitObiranje hmelja v Savinjski dolini 1961 8Auch wenn die Quellenlage keinerlei Anhaltspunkte liefert, würde es theoretisch sogar die Möglichkeit eröffnen, dass die Geschichte mit der Einführung des Goldings Anfang des 19. Jh.’s doch stimmt – denn diesen hätte es zu diesem Zeitpunkt ja tatsächlich schon gegeben.
Wahrscheinlich ist dies aber nicht: Denn wenn man sich aufgrund von Anbau-Problemen entschließt, auf eine geeignetere Hopfensorte zu wechseln, dann wird man diese Entscheidung wohl entsprechend abwägen, wozu aber eine erst ca. 10 Jahre alte Hopfensorte nicht zu passen scheint (noch unwahrscheinlicher wäre, dass man, nachdem sich diese nicht bewährte, 80 Jahre später auf einen direkten Abkömmling setzt.
eröffnen, dass dieser steirischer Hopfen tatsächlich beim Dreher zum Einsatz kam.

Denn wenn es bereits um 1800 Probleme beim Anbau gab, die einen Austausch der Hopfensorte erforderten, dann deswegen, weil der Anbau schon zu diesem Zeitpunkt eine gewisse Größe überschritten hatte. In diesem Fall wäre durchaus plausibel, anzunehmen, eine solche Menge Hopfen hätte innerhalb Österreichs und zwar auch auf der Alpenseite, wo er in großen Mengen angebaut und verbraut wurde, eine stabile Nachfrage erfahren, die auch zur Lösung des Transportproblems320px-Semmeringbahn um 1900Die Industrielle Umwälzung war zwar „im Gange“, die Dampflock aber gerade erst erfunden!… Trotzdem gab es bereits in den 1830er Jahren Pläne einer Bahnverbindung von Wien an die Adria – aber erst ab 1854 war sie bis ins Sanntal befahrbar. Für Drehers Lager gäbe es da also durchaus ein gewisses Zeitfenster – dass aber der Handel mit steirischen Hopfen bereits zuvor auf einem stabilen Fundament stand, ist eher unwahrscheinlich. Zur Intensivierung des Anbaus um 1870 würde es hingegen sehr gut passen… geführt hätte.Bahnline-Wiener-Neustadt-Triest Vermutet werden könnte weiterhin, dass in diesem Fall auch dort als Pflanzmaterial eine bewährte Sorte gewählt worden wäre und vermutlich auch hier „Saazer“ angebaut wurde.

Es ist keineswegs auszuschließen, dass Hopfen aus dem Sanntal damals schon einen gewissen Anteil am Handel innehatte – evtl. stellt er ja sogar das fehlende Drittel „der ganzen Hopfenernte Steiermarks“ aus obigem Zeitungsausschnitt dar? Ein erster Hinweis, dass untersteierischer Hopfen auch eigenständig auftritt, findet sich 1877 – und zwar bereits Mitte August!

In Nürnberg wurde neuer steirischer Hopfen mit 300 M. verkauft. Ein Ballen Cillier-Hopfen erreichte 250 M.
Der Verkehr in vorjähriger Waare ist sehr gering, die Preise sind im weiteren Rückgange begriffen. Zeitverkaufspreise für 1876er Hopfen per 50 Kilogr:
-Saazer Stadtgut…fl. 150–160
-Bezirkshopfen … » 130–140
-Kreishopfen … … » 120–130
-Auschaer Roth … » 60–70
-Grünhopfen … … » 15–30
-Exporthopfen … » ––––

Offenbar konnten auch aufgrund früher Erntereife gute Preise erzielt werden.
Wenn nun aber im Sanntal vordem aus einer eigenständigen Sorte Hopfen überragender Qualität produziert und unter großem Aufwand nach Wien geschafft worden wäre, dann wäre diese dort vermutlich nicht wenige Jahre später von englischem Hopfen ersetzt worden und spurlos von der Bildfläche verschwunden.

Sollte also Dreher tatsächlich »Steirischen Hopfen« benutzt und irgendwie besonders geschätzt haben, dann (so oder so) ziemlich sicher eine Varität des Saazers  – als Herkunft wäre trotzdem eher die Oststeiermark anzunehmen; da das Wachstum im Sanntal wohl eng mit Eröffnung der Eisenbahnlinie zusammen hängt.

Merlet Dreher Bier lDreher junior

Dessen ungeachtet existiert die Aussage, die Familie Dreher hätte sich im Steirischen Hopfenanbau stark engagiertMerlet Dreher Bier rLeider ohne Quellen- oder Zeitangabe heißt es in einem aktuelleren Braubuch:
„Eine weitere Hopfensorte, die bei Dreher Anklang fand, ist steirischer Golding-Hopfen, an dessen Anbau seine Familie maßgeblich beteiligt war.“ (George u. Laurie Fix: Vienna, Märzen, Oktoberfest; 1991) – Falls dem so wäre, gilt dies wohl eher für das ausgehende 19. Jh. Weiter erfährt man, „die Sorte Styrian Golding wurde nach England gebracht und bildete das Rückgrat des berühmten Hopfenanbaugebiets in und um Kent“ – was ziemlich abwegig ist und nicht zuletzt den genetischen Erkenntnissen völlig widerspricht.
. Zeitgenössiche Quellen, die Anton Dreher huldigen und seine Unternehmungen recht detailiert auflisten, erwähnen derartiges allerdings nicht! Eine mögliche Erklärung wäre hier, dass Drehers Sohn ebenfalls Anton hieß – und wiederum zwei eigentlich unterschiedliche Geschichten miteinander verschmelzen.

334px-Plakat Suedbahngesellschaft 1898Dreher junior übernahm die Geschäfte in den 1870er Jahren und weitete das Unternehmen sogar noch erheblich aus. Da fortan auch eine große Brauerei in Triest zum Imperium gehörte, wäre ein Engagement im Untersteirischen Hopfenbau tatsächlich denkbar und sinnvoll: Böhmen war von hieraus recht weit entfernt und das dortige Angebot ließ sich nicht endlos ausweiten – andererseits waren Wien und Triest Endpunkte einer Bahnlinie die glücklicherweise genau durch das Sanntal führte.

Dass die Drehersche Brauerei den Hopfenanbau dort so oder so beflügelte, ist anzunehmen – gehört aber eigentlich nicht mehr zur Geschichte des Wiener Lagers, welches zu dieser Zeit wohl sowieso schon vom noch helleren, noch moderneren Lager vom Pilsener Typ überholt worden war. Zu unserem Styrian Golden Lager paßt es allerdings perfekt!

 

 

Stara razglednica Žalca 21

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