Sud 61

 Kulmbacher-Werbung-ANNO1892

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Überschrift Alt Culmbacher - Sinatra - Mario Aturo

640px-Erwin Spindler Ansichtskarte Kulmbach-Schloß

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61 Etikett No61
Biertyp dunkles Starkbier
Bierart untergärig.
Stammwürze°P  17,5°
Alkohol%Vol  7,3%
Brautag  10.2.24
Anstich  
Ursprung  Kulmbach/Franken
Malze  dunkles Tennenmalz, etwas Rauchmalz
Hopfen  Hallertauer Mittelfrüh
Geschmack  
Trinktemp.°C  
   Malz-Kraft-Bier-Banderole Schloßbrauerei

 

Kulmbach1.hagdWas für ein Bier ist das?…

Kulmbach ist als Bierstadt einigermaßen bekannt – mit Beginn der Industriealisierung und dem Anschluss ans Eisenbahnnetz erlebte das Brauwesen dort einen ungeheuren Aufschwung und Kulmbacher bzw. Culmbacher galt offenbar einige Zeit als Synonym für einen gewissen Biertyp (so wie eben auch Wiener, Münchner oder vor allem heute noch Pilsner). 150px-Werbeanzeige der Brauerei von 1914Unser Alt Culmbacher folgt allerdings einer Brauanweisung, die noch auf die Zeit unmittelbar vor diesem Boom zurückgeht – und stellt somit vielleicht den Ur-Typ des Bieres dar, auf dem sich der legendäre Ruf einst möglicherweise aufbaute…

Culmbacher Export-BierAnzeige PilsnerKulmbacher ANNO1898

Culmbach ist einfach eine veraltete Schreibweise des Ortsnamens, und es gab auch Culmbacher Biere direkt aus Kulmbach – andererseits scheint die Verwendung des C‘s aber auch mit Markenstreitigkeiten und vor allem im Ausland auch mit der Aussprache des Namens zusammenzuhängen. Belegt ist, dass Gerichte im beginnenden 20. Jh. »Kulmbach« als Herkunftsbezeichnung anderen bekannten Orten gleichgestellt hatte und die Verwendung fortan untersagt (oder mindestens eingeschränkt) war.

Die auf Grund des Gesetzes wider den unlauteren Wettbewerb erhobene Klage der Kulmbacher Brauereien hatte den Erfolg, dass Ulrich vom kgl. Landgerichte Leipzig zur Unterlassung des Gebrauchs der mit „Kulmbacher“ versehenen Etiketten verurteilt wurde, welches Urteil, wie oben bemerkt, vom Oberlandes­gericht bestätigt worden ist. Das Kulmbacher Bier ist also bezüglich der Herkunftsbezeichnung mit dem Pilsner Bier und Münchener Bier auf die gleiche Stufe gestellt.

Um was für ein Bier es sich beim Kulmbacher Exportbier ganz genau handelte, lässt sich aus alten Anzeigen und Zeitungsmeldungen natürlich nicht 100%ig rekonstruieren – klar ist aber, dass es recht dunkel und wohl auch eher kräftig gewesen sein muss. Die tiefdunkle Farbe war anscheinend so essentiell, dass sie sogar Anlass zu Tricksereien gab. Es ist also davon auszugehen, dass es sich beim Kulmbacher Typ um eine Art kräftiges Schwarzbier handelte:

Der Kulmbacher Bierprocess. In den letzten Tagen v. M. begann vor dem I Landgericht in Bayreuth eine Verhandlung wegen Verwendung von Biercouleur zur Färbunug des von jeder Kulmbacher Bierbrauerei ausserhalb Baierns, insbesondere in Norddeutschland, zum Verkauf gebrachten, schweren, tiefdunklen Exportbieres.
Die Anklage ist gerichtet gegen die Vertreter sämmtlicher Kulmbacher Exportbrauereien, und zwar gegen 20 Brauereibesitzer und Brauereidirectoren wegen Verwendung der Couleur und gegen 4 Kaufleute Kulmbbachs, von denen die Couleur bezogen war. In Anerkennung, dass die sämmtlichen Angeklagten ein loyales Geständnis der Verfehlung abgelegt, beantragte der Staatsanwalt, gegen sämmtliche Angeklagte Geldstrafen, und zwar gegen die Brauereibesitzer und Directoren in der Höhe von 1200 Mk. bis 180 Mk. herab, gegen die Kaufleute zwischen 18o Mk. und 360 Mk. Der Vertheidiger Justizrath von Meyer beanntragte die Freisprechung aller Angeklagten und berief sich im wesentlichen auf die Sachverständigen-Gutachten, auf die Zeugenaussagen und auf Vorentscheidungen.

Ein Gegenstück zu der eben dargelegten Erscheinung sehen wir in jüngster Zeit bei der Bierbrauerei Kulmbachs. Das be­rühmte Gebräu Kulmbachs, das als echtester und radikalster Vertreter des Bayerischbiertypus weit mehr als das Münchener in Sachsen, Thüringen und dem übrigen Norddeutschland bekannt, verbreitet und beliebt ist, dieses schwere, tiefdunkle und starke Bier hatte in neuerer Zeit ebenfalls empfindliche Einbuße im Konsum und Absatz erlitten, ein Zeichen, daß ein solcher Rückgang doch nicht immer und allein gedrückten wirtschaftlichen Verhältnissen zugeschrieben werden kann, denn Kulmbacher wird immer nur von den besser Situierten als Alltagsgetränk genossen werden können. Mehr deshalb wohl, weil sich in neuerer Zeit überhaupt eine Ab­kehr von besonders schweren und starken Bieren allenthalben kund gibt, wohl hauptsächlich deshalb hatte Kulmbach in den letzten Jahren einen Rückgang seines Exportes und Absatzes zu verzeichnen. Aber — die Extreme berühren sich — die intelligente Kulmbacher Bierbrauerei erkannte alsbald klar und rechtzeitig die Situation und setzte ihrem altberühmten schweren und tiefdunklen Gebräu ein radikales Gegenstück in einem Biere, welches noch weit lichter als das Pilsener, sich im Glase vom Wasser kaum unterscheiden läßt.

Die fränkische BrauweiseAnzeige Farbebier-Extrakte ANNO

Die Brauanweisung die unserem Sud zugrunde lag, ist älter – das damit gebraute Bier sollte der obigen Spezifikation aber ganz gut entsprechen! Sie beschreibt eindeutig ein kräftig gehopftes, aus dunklem Malz gebrautes Starkbier – welches schon aufgrund seiner Stärke ku-eti7tiefdunkel gewesen sein sollte.

Es spricht also einiges dafür, dass sie ein Bier beschreibt, aus dem sich später die Art Kulmbacher Export-Bier entwickelt hat, die dann zum Inbegriff des „Kulmbacher Typs“ wurde.
(Und auch heute noch gibt es eine Reihe von Kulmbacher Bieren, die ganz offensichtlich in Tradition eines derartigen Starkbiers stehen.)

Die meiſte Sorgfalt wird jedoch auf das Darren verwendet und hiebei vor Allem darauf geſehen, daß das Malz eine ziemlich braune, aber ſchöne Farbe erhält.

Eine recht ähnliche Rezeptur bzw. Anweisung ist auch für Bamberg erhalten – wobei dort die Farbe des Malzes nicht erwähnt ist, dafür aber, dass die Nachgüsse ausdrücklich nicht verwendet (bzw. zu einem separaten Bier vergoren) werden; also unzweifelhaft auf ein sehr starkes Bier abgezielt wurde!

Die Bamberger-Biere ſind ſehr weingeiſtig und berauſchend und verurſachen daher denjengen, die ſie nicht gewöhnt find, Kopfweh etc., weßhalb ſie Hämorrhoidalleidenden ebenfalls nicht zu empfehlen ſind.

Das Nachbier oder der ſogenannte Hansle iſt in Bamberg ein wahres Bedürfniß; denn dasſelbe wird nicht allein von der arbeitenden und unbemittelten Klaſſe in ökonomiſcher Beziehung getrunken, ſondern ſelbſt bemittelte Leute, welchen das Bamberger-Bier zu ſchwer iſt, miſchen ⅔ gutes Bier mit ⅓ Nachbier.
Wie wir aus der vorhergehenden Beſchreibung erſehen haben, wird bei dieſem Brauverfahren kein Nachguß gemacht, was bloß in der Abſicht geſchieht, um deſto mehr ſolches Nachbier zu gewinnen.

In Kulmbach hingegen wird die Würze mit den Nachgüssen zwar erst verdünnt, dann aber durch sehr langes Kochen wieder aufkonzentriert – Malz-Craft-Bier-Labels-Kulmbacher-Reichelbrau- 37661-1-268918539was offensichtlich ein ähnliches, wenn vielleicht auch nicht gar so kräftiges Ergebnis im Sinn hatte, durch den langen Kochprozess die Farbe aber nochmals kräftig vertiefte!

In späterer Literatur werden die Bamberger- und Kulmbacher Brauweise auch gerne als „fränkisch“ zusammengefasst, galten da aber schon als fast veraltet:

Die eben beschriebenen Specialverfahren sind in neuerer Zeit immer mehr und mehr gegen das neue Münchener Brauverfahren in den Hintergrund getreten und liegt die Ursache dieser Erscheinung wohl darin, daß die großen Münchener Brauereien sich des Exportes durch fast ganz Deutschland bemächtigt haben und hierdurch die Geschmacksrichtung der Consumenten hauptsächlich auf jene Biere gerichtet wurde, welche nach diesem Verfahren gebraut sind.

Der Pfaffe

PfaffeNicht unbedingt spezifisch für das fränkische Verfahren sondern eher für (noch) vorindustrielle Brauanlagen ist der sogenannte Pfaff oder Pfaffe – der nur dann auftritt und Sinn ergibt, wenn Maischen und Läutern im gleichen Bottich stattfinden; was früher eher die StandardkonfigurationUnd nur in diesem Kontext ergibt auch der Begriff der Lauter- oder Läutermaische einen tieferen Sinn: Denn diese wurde tatsächlich abgeläutert! Heute spricht man oft eher von Dick- und Dünnmaische – und gewinnt letztere, indem man „von oben“ Dünnes abschöpft oder pumpt. (Was im Prinzip auch ganz gut funktioniert, da sich das Dicke ja unten absetzt – andererseits die Dünnmaische dann aber fast unweigerlich auch Malzanteile enthält, also auch nicht mehr über den Pfaffen zurückgebrüht werden kann bzw. könnte… Da fortan die Maischbottiche mechanische Rührwerke enthielten, war dieser allerdings ohnehin obsolet…)
Maischmachine Meyers b2 s0912a
war.
Beim Pfaffen handelt es sich um ein Rohr, mit dem Flüssigkeit unter den Senk- oder Läuterboden gegeben werden kann; also quasi das Gegenstück zum Abläutern.

In gewisser Weise ist dies aus zwei Perspektiven praktisch: Zum einen werden durch das Einströmenlassen von Flüssigkeit unter dem Läuterboden dessen Schlitze von unten "gespült". Zum anderen dringt Flüssigkeit relativ langsam und gleichmäßig verteilt von unten in die Maische ein, was (zumindest theoretischThe interior of a brewhouse Wellcome L0073679In der Praxis hat sich gezeigt, dass das heisse Wasser doch irgendwie an seinen eigenen Willen hat und an manchen Stellen „Hotspots“ ausbildet, die sich kaum wegrühren lassen. Ungemein praktisch ist es allerdings beim Einteigen: hier steigt das Wasser langsam und relativ gleichmäßig im gesamten Malz auf ohne trockene Klumpen zu bilden, wie es beim Zugeben geringer Wassermengen bzw. Einrühren in solche recht schnell passiert, selbst wenn man sehr angestrengt rührt!…)) dafür sorgt, dass sich beim Zubrühen keine heißen Zonen bilden und dort Enzyme verbrüht werden.

kuriz3neu c2000 2000Das Lautermaische-Verfahren

Die fränkische Brauweise weißt nun einige Besonderheiten auf, die sie tatsächlich zu etwas Eigenständigem machen und sie komplett von der sonst als für den bayrischen Raum eigentlich als typisch erachteten Dekoktions- oder Dickmaischebrauerei unterscheiden. Das hier zum Einsatz kommende Verfahren ist einfacher, in gewisser Weise zeit- und energieeffizienter und stellt vielleicht eine frühe, noch unausgereifte Form der Dekoktion dar ( – und in gewisser Weise sind durchaus Parallelen zur belgischen Brauweise zu erkennen).

Das Malz wird mit 50° warmem Wasser eingeteigt und später mit einem GußWoman brewing beerIm Prinzip wird durch die erste Wassergabe das Verfahren in gewisse Bahnen gelenkt: Um so heißer, desto weniger Wasser ist nötig, um die Maische auf eine bestimmte Temperaturstufe zu bringen – und wichtiger noch: desto weniger Energie bzw. Heißwasser ist später nötig, um sie weiter zu erhitzen (weil man ja nicht nur das Malz selbst, sondern auch das bereits vorhandene Wasser „miterwärmen“ muß)…
Um das Malz auf bspw. 55° zu erwärmen, kann man entweder recht viel 60° heißes Wasser zugeben, oder aber nur wenig kochendes – bzw. in zwei aufeinanderfolgenden Schritten erst kaltes und dann heißes Wasser in beliebigen Mengen- und Temperaturverältnissen. Konkret wird beim Kulmbacher Verfahren mit relativ wenig, 50° warmem Wasser „eingeteigt“ und später dann mit kochendem Wasser auf ca. 55°C angehoben (was eine noch relativ dickflüssige Maische ergibt).
kochenden Wassers auf die gewünschte Rasttemperatur (und Flüssigkeitsmenge) gebracht – was erst einmal sehr an ein Infusionsverfahren erinnert, aber natürlich auch bei der Dekoktion die ersten Schritte darstellt!…

BlatzCulmbacherNach einiger Zeit wird dann eine Lautermaische gezogen, aufgekocht und wieder zurückgebrüht, um auf die finale Rast- bzw. Abmaischstufe zu kommen. Aus heutiger Sicht ist das Kochen der Lautermaische allerdings nicht optimal im Prozess platziert:
Bei der 3-stufigen Dekoktion wird eine solche erst gezogen, nachdem alle notwendigen Temperaturstufen durchlaufen wurden und die Verzuckerung (also die Arbeit der Enzyme) weitgehend abgeschlossen ist – und dient dann hauptsächlich noch dazu, die Temperatur auf ein für das Abläutern günstigeren Wert anzuheben.
Problematisch ist nämlich, dass die Enzyme des Malzes größtenteils in der Flüssigkeit327px-Mendel II 066 rBeim Ziehen der Dickmaischen in der 3-stufigen Dekoktion wird vor allem ein großer Malzanteil entnommen – der Hauptanteil der Flüssigkeit (und damit auch ein Großteil der Enzyme!) bleibt im Maischbottich zurück. Beim Kochen wird hauptsächlich die Stärke aufgeschlossen. Die Enzyme der Dickmaische werden selbstverständlich ebenfalls zerstört, im Bottich sind aber noch mehr als ausreichend vorhanden!
Da in Kulmbach aber ohnehin mit relativ wenig Wasser eingemaischt wurde, fällt der Treber beim Ziehen der Läutermaische dann mehr oder weniger trocken – was die Enzymzahl drastisch reduziert!
gelöst sind – und läutert man jene zum großen Teil ab, werden sie beim Kochen zerstört. Nach dem Zubrühen sind nur noch geringe Anteile vorhanden und die Verzuckerung auf der jetzt erreichten eigentlich optimalen Temperaturstufe geht nur noch langsam voran.

Daher sind recht lange Rastzeiten nötig – und der Zeitvorteil durch die eingesparten Dickmaischekochungen ist damit hinfällig. Allerdings ist der Arbeitsaufwand trotzdem entsprechend geringer (was sich am Brautag sehr positiv bemerkbar machte!).

Bei aller Einfachheit dieſes Verfahrens ſind alſo dennoch 12–13 Stunden zu einem Sud erforderlich.

Die Hopfen-Röstung

HopfenröstenDie Besonderheiten des Verfahrens setzen sich nahtlos fort:
Generell sollte beim Entleeren der Sudpfanne nach dem Kochen immer ein gewisser Füllstand verbleiben, damit der Boden der Pfanne nicht von der Feuerung zerstörtFeuer SVGSILH1294897Das Problem stellt sich umso mehr, als das man ja eine tatsächliche Feuerung nicht einfach abschalten kann! Selbst wenn man die Luftzufuhr vollständig unterbricht, glüht oder schwelt das Feuer weiter vor sich hin und gibt enorme Hitze ab – es ist also dafür Sorge zu tragen, dass diese Hitzeentwicklung irgendwie aufgefangen wird, was neben möglichst vorrausschauendem Heizen dadurch geschieht, dass man die Pfanne nicht ganz leert oder eben sofort wieder etwas füllt… wird! Wird die Pfanne vollständig geleert, muss entsprechend „Ruhwasser“ aufgefüllt werden – praktischer ist es, jeweils kleine Reste zurückzubehalten (was sich auch in den meisten Verfahren so wiederfindet).

Gemäß unserer Brauanweisung bleibt ein Anteil Lautermaische in der Pfanne (und wird ggf. mit Wasser ergänzt). In dieser Flüssigkeit wird der gesamte Hopfen eingeweicht (und kurz vor Beginn des abschließenden Läuterns kräftig aufgekocht):

In der Pfanne bleibt ſo viel Lautermaiſch zurück, als zur Erreichung der nöthigen Hißgrade überflüſſig war, was gewöhnlich einige Eimer beträgt und wozu ſogleich nach Beendigung des Ueberſchöpfens die hergerichtete Quantität Hopfen nebſt einigen Eimern falten Waſſers geſchüttet wird. Der Hopfen wird ſogleich untergetaucht und eingerührt.
Während dieſer Bearbeitung des Hopfens, welche 1½ Stunden dauern ſoll, wird der Maiſch ruhig der Zuckerbildung überlaſſen.

Dieses lange „Weichen“ des Hopfens ist eine Technik, die heute als Vorderwürzehopfung bekannt ist. Hierbei gehen mit der Zeit recht viele Aromaöle in die Würze über (und bilden dort einigermaßen stabile Komplexe, die bei der anschließenden Kochung nicht so leicht wieder ausgetrieben werden). alter BierdeckelNicht ganz optimal scheint in diesem Fall, dass für die doch recht beachtliche Hopfenmenge nur relativ wenig Flüssigkeit zur Verfügung steht.

Abschließend wird der Inhalt dann für einige Minuten kräftig aufgekocht bzw. eben geröstet – und ganz falsch ist dieser Begriff angesichts der geringen Flüssigkeitsmenge vielleicht nicht gewählt… Einst soll der Vorgang dazu gedient haben, schlechte Aromen von Schimmel oder Kellermuff auszutreiben.

Gegen Ende dieſer Ruhezeit wird unter der Pfanne ein kleines Feuer angeſchürt, die wenige darin befindliche Flüſſigkeit zum Sieden gebracht und 8 – 12 Minuten im Sude erhalten, wobei der Hopfen beſtändig nach den aufkochenden Stellen hingeräumt werden muß. Dieſe ganze Operation wird Hopfenröſten genannt.

Dieſes Hopfenröſten ſoll beſonders bei alten und ſogenannten angegangenen Hopfen mit Vortheil angewendet werden, indem dadurch der rauhe und oft ſchimmelige Geruch des Hopfens beſeitiget werde. Allein wenn dieß auch wirklich der Fall wäre, ſo gehen doch ſicher auch die beſſeren Beſtandtheile wie das flüchtige aromatiſche Del wenigſtens theilweiſe dabei verloren.

Iſt der Hopfen hinlänglich geröſtet, ſo wird der Zapfen im Bottich geöffnet und mit dem Abläutern begonnen, um das Hopfenröſten zur gehörigen Zeit unterbrechen zu können.

Auch wenn angesichts der gewaltigen Hopfenmenge wohl sicher noch genügend der „besseren Bestandtheile“ verbleiben, wird dem Ergebniss teils ein eigenartiger, mindestens jedoch ein „ganz eigener“ Geschmack attestiert…

203px-LA2-gutbrod-pressure-cooker-1864Koch-Marathon

Beim Würzekochen verdunstet Wasser, weswegen langes Kochen potentiell ein stärkeres Bier ergibt. Die lange Kochzeit – angegeben werden 4-5 Stunden (bzw. ca 20% der Würzemenge) – ist nach damaligen Maßstäben allerdings gar nicht allzu ungewöhnlich. Auch normale und insbesondere Lagerbiere wurden erheblich länger gekocht als heutzutage:

Fragt man nach der Zeit, welche das Hopfenbier ſieden ſoll, ſo muß geantwortet werden, daß ſich dieſes Zeitmaaß hauptſächlich nach der Qualität des zu erzielenden Bieres richtet.

Denn die Sommer- oder auch Lagerbiere haben feinere oder ſogenannte ſchwere Hopfen und müſſen deßhalb auch, um die Extraction des Hopfens ſo ſtark als möglich zu erzielen, länger ſieden als die Winterbiere, bei denen bloß leichte oder ſogenannte Landhopfen verwendet werden und keine lange Haltbarkeit beanſprucht wird. Sommer- oder Lagerbier läßt man nun in der Regel 2½ Stunden; Winter- oder Schenkbiere dagegen bloß 1½ Stunden ſieden.

Heute hat sich (wohl aus ökonomischen Übelegungen heraus) eingebürgert, die Würze nicht länger zu kochen als unbedingt notwendig bzw. sinnvoll – und hier gelten gemeinhin 75–90 Minuten als GrenzwertDiagramm KochzeitenDer Bruch bzw. das Ausflocken der Eiweiße – was man als wesentlichen „Idee“ des Kochvorgangs ansehen kann – geht relativ flott, wenn die Würze erst einmal kräftig kocht. Die Isomerisierung der Hopfenbitterstoffe (also deren Überführung in eine wasserlösliche Form) schreitet jedoch nur äußerst langsam voran. Die Ausbeute der Bitterstoffen ist insgesamt sowieso eher gering und der zusätzliche Gewinn im Laufe der Kochung nimmt mehr und mehr ab – so dass es sich aus dieser Sicht irgendwann nicht mehr lohnt, noch länger fortzufahren (ökonomisch sinnvoller ist es, den Hopfeneinsatz zu erhöhen bzw. gleich oder zusätzlich Hopfen mit hohen Bittestoffgehalten zu wählen!)..

Lekvárfőzés 1Dass beim Kochen aber auch etliche geschmacksbildende Reaktionen stattfinden, liegt eigentlich auf der Hand: Es werden Aromastoffe ausgetrieben und neue gebildet, Zucker karamellisiert (nicht nur dort, wo er an den Pfannenrand spritzt, sondern auch an den heißen Kontaktflächen) und mit den Aminosäuren bzw. Eiweißbestandteilen bildet die Maillard-Reaktion Melanoidine (die als Röstaromen und -Farben in Erscheinung treten). Die genauen Vorgänge sind unheimlich komplex – aber jedem, der schon einmal (vielleicht sogar Pflaumenmus) gekocht hat, ist klar, dass die Kochzeit Geschmack und Farbe erheblich beeinflussen kann!

Gemäß Lehrbuch beträgt die Zufärbung beim Würzekochen pro Stunde ein bis drei EBCEBC-ChartFür die Bierfarbe gibt es untershiedliche Modelle, EBC (European Brewery Convention) wird in unserem Raum am häufigsten verwendet – um den Wert zu ermitteln, wird gemessen, welcher Prozentsatz des Lichts ein definiertes Volumen durchdringt. Klar ist, dass Bier auch um so dunkler erscheint, je mehr Flüssigkeit durchleuchtet werden muß (also je größer der Durchmesser des Glases ist)… Im Bild ist skizziert, in welchem Bereich sich die Farbvertiefung durch die lange Kochzeit in etwa bewegen sollte (ausgehend, von einem sowieso schon eher dunklen Bier)-Einheiten (und nimmt bei langer Kochdauer und dunklen Malzen eher noch zu) – was bei vier, fünf Stunden Kochzeit recht erheblich ist und bei einer sowieso schon dunklen Würze zu einem „tiefdunklen“ Bier führen sollte. (Im heutigen Trend zu hellen Lagerbieren dürfte daher ein weiterer Grund für möglichst kurze Kochzeiteneiten zu finden sein.)

Mengen & Maßeinheiten

Ein recht glücklicher Umstand ist, dass das verwendete Buch ein eigenes, kleines Kapitel zu den Umrechnungen der verschiedenen Maßeinheiten enthält. Begründet scheint dies durch eine Reform des bayrischen Maßsystems zu sein. Wir erfahren auf die Kommastelle genau, wie man neuerdings Scheffel in Maßkannen umzurechnen hat – und es finden sich (wohl eher zum Vergleich) sogar Angaben zum neuen Pariser Dezimal-System:

§: 104.
Maaße und Gewichte der ſieben älteren Regierungs-Bezirke im Königreiche Bayern.

Vor der allgemeinen Maaß- und Gewichts-Regulirung im Jahre 1809 waren die hierauf bezüglichen geſeßlichen Vorſchriften in Bayern noch unvollſtändig und ſchwankend.
Erſt nach vorgenommener Vergleichung des Urmaaßes und des Muttergewichtes der altbayeriſchen Haupteinheiten mit den Copien der Toiſe von Peru und mit denen des Metre's und des Kilogramms der Archive von Paris, war die Möglichkeit gegeben, eine auf die allgemein angenommene Fundamental Einheiten gegründete geſeßliche Beſtimmung feſtzuſtellen.

HolzschaffelnAnsich ist es nicht allzu schwierig, solche Umrechnungen im Internet zu finden – da es allerdings damals unheimlich viele, von Region zu Region erheblich differierende Maßsysteme gab, ist es oft nicht ganz trivial, sich für eines zu entscheiden. In diesem Buch kann man nun jedoch relativ sicher sein, welches System den Angaben zugrunde liegt!
Dies versetzt uns in die Lage, folgende Angaben exakt in Kilogramm und Liter umzurechnen:

Da dieſes Bier meiſt zum Verſenden beſtimmt iſt, ſo werden aus 1 Schäffel trockenen Malzes bei Winter- wie Sommer-Bier 5 Eimer Bier erzeugt.
Dabei rechnet man zu Winterbier per Schäffel 2½ Pfund, mithin per Eimer ½ Pfund, zu dem letzten Sommerbier dagegen per Schäffel 7 Pfund, mithin per Eimer gegen 1½ Pfund Hopfen. Diejenigen Biere, welche über die gewöhnliche Zeit eingelagert werden oder weite Transporte auszuhalten haben, bekommen wohl auch noch etwas mehr Hopfen.

Maßkanne → 1,069l
 Pfund → 0,56kg

1 Scheffel = 208 Maß → 222l

• Schüttgew. Malz: 48-55kg/hl
→ 1 Scheffel ≈ 105-120kg

(Bier) Eimer = 64 Maß ≈ 68l

Scheffel Eimer Pfund  
1 5 Winter
  (1 ½)  
1 5 7 Sommer
  (1 1½)  
~105-120kg 340l ~4 kg  
30-35kg 1 hl 1,2kg  

Beachten muss man nur noch, dass die AusbeuteGetreidesack svgsilh309849Die theoretische Extraktgehalt gibt an, wieviel Prozent Zucker man aus der eingesetzten Malzmenge unter Laborbedingungen gewinnen könnte (oder kann – denn dies wird tatsächlich so ermittelt!). Dies hängt letztlich vom Stärkeanteil im Getreide ab – denn diese wird ja in Zucker verwandelt.(Ein Teil der Stärke wird beim Mälzen „verbraucht“ und je nach Art des Malzes kommt es hier zu leichten Differenzen; dunkle Malze erzielen etwas niedrigere Werte).
Heute geht man von ca 80% aus, um 1850 lag dieser Wert bei 70% – so dass man heute wohl mit ca. 7/8 der früher benötigten Malzmenge kalkulieren kann…
aus dem Malz früher wohl geringer war – man die Schüttung also leicht reduzieren sollte. Das ist nicht in erster Linie der Methodik geschuldet (und spielt in diesem Fall ja sowieso keine Rolle, da diese ja möglichst genau nachgeahmt wird), sondern ist wohl eher auf Züchtungserfolge beim Getreide und evtl. noch auf eine fortschrittlichere Mälzung zurückzuführen.

Man kann also annehmen, dass damals pro Hektoliter 30 bis 35kg Malz und zum kräftig gehopften Sommerbier (woran wir uns als „Kraft-Bier“-Brauer natürlich orientieren!) ein gutes Kilo Hopfendolden verwendet wurden. Vom heutigen Malz sollten 26-30kg ausreichen. Hinsichtlich der exakte Stärke bleibt da immer noch eine gewisse Spanne; unser Culmbacher orientiert sich eher nach oben und sollte der Spezifikation als „schweres tiefdunkles Bier“ recht gut entsprechen!

Erste Kulmbacher Actienbrauerei um 1900

Malz-Kraft-Bier-Banderole

trenner Image taken from page 346 of The Works of Alfred Tennyson etc 11060781794

Herrliches Wetter!
Und zumindest vormittags nicht allzu viel Arbeit…

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